Feiertagskolumne Auffahrt 2021
Normalerweise ist das Auffahrtswochenende kein gewöhnliches Wochenende. Viele Menschen wollen aus ihrem Alltag ausbrechen und es zieht sie irgendwo in die Ferne. Ausfahrten mit dem Töff oder mit dem Auto. Wanderungen, die Aussicht geniessen, Berge besteigen oder einfach nur stundenlang im Stau stehen.
Christi Himmelfahrt wirbelt das Gewohnte durcheinander. Normalerweise bleiben Verstorbene in ihren Gräber. Und selbst, wenn Verstorbene aus ihren Gräbern entfernt werden, bleiben sie in der Regel verstorben. Es ist schon ungewöhnlich, dass jemand stirbt, dann aus seinem Grab verschwindet, dann gewissen Personen kurz erscheint – um dann von einem Berg aus in den Himmel aufzufahren.
Christi Himmel ist bildhafter Ausdruck des nicht Vernünftigen. So ungewöhnlich, wie das ganze Leben Jesu ungewöhnlich war.
Wenn ich dieses Bild beschriften sollte, würde ich Jesus sagen lassen: «Haltet mich nicht fest. Dann bleibe ich bei Euch bis ans Ende Eurer Tage.»
Jesus hat vollkommen recht. Ich darf nicht zu sehr am Gewohnten festhalten. Gewohnheit und auch gewisse Traditionen sind wichtig und eine Stütze der Gesellschaft, wenn sie lebendig bleiben, d.h. gepflegt werden. Und dazu gehört auch, dass Traditionen formbar bleiben und verstanden werden. Sonst wird jede Gewohnheit zur Krankheit. Dann wird die eigene Art so eigenartig, dass sie von anderen keine Beachtung mehr findet.
Das Leben, wie wir es gewohnt waren, hat sich bereits verändert. Dieses Auffahrtswochenende bleiben wir zu Hause. Die Autobahnen leer. Die Luft sauber. Wir lernen unsere Zeit anders zu planen. Spaziergänge zu schätzen. Mensch distanzieren sich. Nicht, weil wir uns nicht mögen, sondern weil wir raus wollen.
Dinge, von denen wir immer dachten, dass wir sie brauchen, werden plötzlich unwichtig. Und Dinge, die vorher unwichtig waren, werden plötzlich vermisst.
Traditionelle Feste wie Erstkommunion werden verschoben. Gottesdienste werden monatelange ausgelassen. Dafür brennen in der Marien-Grotten tausende von Kerzen und die Menschen beten zu Hause. Gott ja, Kirche nein? Warum ist die Kirche so unwichtig geworden? Wähnte sich die Kirche viel zu lange in Sicherheit, die jetzt einfach wegbricht? Muss sich die Kirche vielleicht auch wandeln und neu ausrichten? Den Selbstzweck, die Selbstverständlichkeit hinter sich lassen und «Heimat des Glaubens» werden?
Jesus entschwindet, damit wir lernen, die richtige Schritte selber zu gehen. In seinem Sinn, mit seinem Geist. Auf dem Boden seiner Worte und seiner Liebe. Um das Leben und unseren Glauben zu gestalten. Auch, wenn wir den Schmerz aushalten müssen, von gewissen Dingen Abschied zu nehmen.
Wir hoffen und beten, dass sowohl die Kirchen wie auch die Gesellschaft lernt, sich im Sinne Gottes selbstbewusst und verantwortlich mit dem Wandel, der gerade geschieht, kritisch auseinander zu setzten, ihn zu gestalten und zu formen.
Wir wünsche Ihnen von Herzen ein gutes und gelungenes Auffahrtswochenende. Vielleicht erleben wir – gelöst vom Druck des Flüchtens, fern vom Alltag und vom Gewohnten – ein Wochenende voller Frieden und Glück.